-Glasgow


AUF DIE FAMILIE


Über der Tür eines Nobelrestaurants hängt ein großes, schwarzes Banner, auf dem in weißer Schrift steht: Pure dead brilliant-
Scotland with Style!
Im Außenbereich des Restaurants sitzen zwei Frauen und trinken einen nachmittäglichen French Martini. Beide tragen ein kleines Schwarzes und haben ihre langen, blonden Haare auf ähnliche Weise im Nacken hochgesteckt. Dem Alter nach könnten es Mutter und Tochter sein: die eine um die zwanzig, die andere um die vierzig. Ein Mann im Anzug, die Nase sonnenverbrannt, die Hände vernarbt, balanciert wankend eine geöffnete Flasche Champagner und ein Glas an ihren Tisch und fragt:
„Do I know yous from somewhere?“
Die ältere der beiden sieht an ihm vorbei und sagt: „I don't think so.“
Er lässt sich davon nicht abschrecken, zieht einen freien Stuhl zu sich heran und setzt sich an ihren Tisch. Die beiden blicken ihn verwundert an und er fragt: „So who are yous anyway if I don't know yous?“
Die ältere der beiden antwortet, sie seien Schwiegermutter und Schwiegertochter und würden nun gerne weiter ungestört zu zweit ihre Martinis trinken. Der sich selbst Einladende überhört den letzten Halbsatz und fragt:
„So does that mean, you two gorgeous are married?“
Die beiden nicken bejahend und er fragt:
„And do you love your husbands then?“
Die beiden sehen sich kurz an, nicken dann stillschweigend, wie es sich für gute Schwiegermütter und -töchter gehört und er fragt weiter:
„So how can you actually tell you really love? I mean, such a big word, such a profound feeling?”
Die beiden bleiben ihm die Antwort schuldig und starren hilflos in Richtung der Kellner. Der Mann bemerkt ihre Blicke und sagt in einem Anflug trunkener Agressivität:
„Family day out - yous are to much of a family for me!” Er hebt sein Glas, ruft zynisch:
„Cheers! To the family!“
und erzählt, er habe keine Familie, zumindest keine, die mit ihm zu tun haben wolle. Alles, was er habe, seien Arbeit und Ausgaben: Seine Geschiedene und seine Töchter redeten nicht mit ihm, bestünden jedoch monatlich auf ihre Unterhaltschecks. Gerade sei er von der Arbeit zurück, vom „Oil rig“, wie er hinzufügt, während er sich kratzt und vergeblich versucht, eine Zigarette aus bereits bröseligem Tabak zu drehen. Die Tabakpackung rutscht ihm aus der Hand und fällt auf den Boden, auf dem sich nun mehr Tabak verteilt als noch in der Packung ist. Er bückt sich, um nach seinem Drehtabak zu greifen, stolpert dabei, stößt sich den Kopf, versucht sich an der Tischdecke wieder hochzuziehen, reißt bei dem Verwuch beinahe alle Gläser mit sich zu Boden und bittet die beiden Frauen, ihn zu entschuldigen, er sei etwas zu betrunken und sie seien, „oh lord“, etwas zu schön.
Als er in Richtung Toilette wankt, wird er bereits vom Personal des Restaurants erwartet und zur Tür eskortiert. Er sträubt sich, sagt, zwei schöne Damen warteten auf ihn, deutet auf die beiden Frauen, die betont wegsehen, will zurück zu ihnen und seinem Champagner und wird schnell und ohne viel Aufhebens auf die Straße bugsiert mit den Worten:
„These two have surely not been waiting for you.“