23.02.2016taz. die tageszeitung


„Eine Deutsche“



Berlin im Jahr 2000: An einem verschneiten Nachmittag warte ich mit einer dicken Webpelz-Mütze auf dem Kopf vor dem Eingang des S-Bahnhofs Zoologischer Garten auf eine Freundin, als sich zwei Polizisten von der Seite nähern und der eine zum anderen sagt: „Sieh dir die Mütze an, Olli. Eindeutig noch so 'ne Petruschka.“

Aus Neugier beschließe ich abzuwarten, was sie wollen. Der links stehende der zwei sagt: „Ich weiß nicht. Die versteht uns doch. Guck mal, die guckt ganz kritisch.“ Der rechte aber erwidert entschlossen: „Quatsch, die hat Schiss, das ist alles.“ Entschlossen rückt er ganz nah an mich heran und sagt: „Dokumiente!“ Und als ich nicht reagiere, noch einmal lauter:
D O K U M I E N T E!“

Ein Obdachloser, der eben noch leere Flaschen gesammelt hat, geht mit Blick auf die Polizisten vor mir einen großen Schritt nach links und murmelt: „Ich geh' ja schon, ich geh' ja schon...“ Die beiden nehmen ihn gar nicht wahr. Sie warten mit Blick auf meine Hände, ob ich Anstalten mache, meine Dokumente zu suchen.

Ich sehe sie ungerührt an. Der unmittelbar vor mir stehende geht ein Stück zurück und betrachtet mich nun von oben bis unten: „Passport please!“ Ich sehe ihm direkt ins Gesicht. Er sagt etwas irritiert: „Passport! ID! Pass, Papiere, Ausweis bitte!“ Ich beginne, nach meinem Portemonnaie zu kramen. Als ich meinen Personalausweis finde, halte ich ihn den beiden kommentarlos hin.

Der rechte der beiden stammelt nur: „Siehst du!“ in Richtung des linken. Der entschuldigt sich, ohne dabei mit der Wimper zu zucken mit den Worten: „Das tut uns jetzt sehr leid. Eine Deutsche wollten wir naürlich nicht aufhalten!“ Von meinem weiteren Schweigen verunsichert, fügt er hinzu: „Sie müssen verstehen, Ihre Mütze...“