22.01.2016taz. die tageszeitung


Genderkinder



In einer Kita im Spandauer Ortsteil Wilhelmstadt wird gerade gefrühstückt. Die zwei Dreijährigen Felix und Noah sitzen sich am Esstisch gegenüber, essen Nutellabrote und reden über eine Rangelei, die sie am Vortag hatten.

Felix sagt: „Ich habe dich geschossen.“ Noah schüttelt den Kopf. „Ich hab’ mehr geschossen.“ Felix widerspricht. „Nein. Ich.“ Er deutet eine Schießbewegung an und macht laut: „Bumbumbumbumbum.“

Noah lacht lauthals, sagt: „Nein ich“. Deutet eine stärkere Schießbewegung an und macht doppelt so laut „Bumbumbumbumbum.“ Felix muss daraufhin so lachen, dass er sich beinahe an seinem Nutellabrot verschluckt und etwas ausspuckt. Noah sagt zu ihm: „Nutella, da!“ Er zeigt auf Felix’ Gesicht. Felix macht nun einen strengen Gesichtsausdruck und sagt: „Bart. Nutellabart.“ Noah spiegelt sein Gesicht in der vor ihm stehenden Saft- karaffe und ruft laut: „Mehr Nutellabart!“

Eine anwesende Praktikantin sagt zu den beiden: „Ich habe auch einen Nutellabart.“ Beide schütteln entschlossen den Kopf. Noah sagt: „Nein, du bis’ ein Frau.“ Sie insistiert: „ Und wenn ich trotzdem einen Nutellabart habe?“ Felix studiert ihr Gesicht aufmerksam und über- legt einen Moment. Dann sieht er sie streng an: „Das darfst du nich’.“

Die beiden Jungs haben auf- gegessen und rennen rüber ins Spielzimmer. Zunächst spielen sie beide mit einem Ball, dann stolpert Felix über eine Babypuppe, hebt sie auf, setzt sie in einen Puppenwagen, deckt sie behutsam zu und fährt sie rum. Die Praktikantin kommt ins Spielzimmer, beobachtet Felix eine Weile mit der Puppe und sagt dann: „Felix, du bist ja ein toller Puppenpapa!“

Felix sieht sie nicht einmal an. Er lässt den Wagen sofort stehen, sucht den Ball und rennt schnell zu Noah.