September 2015Jahresabschlussbericht des Evangelischen Johannesstifts


Die Türen gehen langsam auf


©Frederic Schweizer

Helen Ziyaei Moghadam geht strahlend auf ihre Kolleginam anderen Ende des Ganges zu. Die beiden Frauen umarmen sich herzlich. Es ist kurz vor 13 Uhr, in wenigen Minuten beginnt Frau Moghadams Spätschicht hier im Geriatriezentrum im Wedding. Die 45-jäurige Pflegehilfskraft ist nach zwei Jahren Zeitarbeit für „PersonaGrata“ geradeals feste Kraft übernommen worden und wird nicht müde, ihre Dankbarkeit dafür zu betonen: Es ist ihre erste sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland. Als die Iranerin vor drei Jahren bei Ebay eine Ausschreibung der „Die Wille“ las, hatte sie die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz fast schon aufgegeben.

Neun Jahre lang hatte die im Iran politisch verfolgte Christin nach ihrem Asylantrag in Deutschland den so genannten Duldungsstatus und damit keine Arbeitserlaubnis. Neun Jahre, in denen ihr nichts übrig blieb, als abzuwarten. 2007 dann wurde über ihren Asylantrag entschieden. Neben einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung bekam Helen Ziyaei Moghadam die lang ersehnte Arbeitserlaubnis.

Die meisten Langzeitarbeitslosen haben Probleme, sich wieder in die festen Strukturen des Arbeitsmarktes einzufügen. Nicht so Helen Ziayei Moghadam: „Ich hatte ja so lange gewartet. Ich war nur glücklich, dass ich endlich etwas machen durfte.“

Zunächst nahm sie an einem Integrationskurs teil. Dann absolvierte sie eine Weiterbildung zur Pflegeassistentin und schrieb täglich Bewerbungen. Doch sie hatte ein großes Problem: In beinahe jeder ausgeschriebenen Stelle wurde Einsatz rund um die Uhr gefordert, Helen Moghadam aber war eine alleinerziehende Mutter, ihr Sohn zu dieser Zeit gerade einmal zwei Jahre alt. Schichtarbeit kam nicht in Frage. In einer Pflegeeinrichtung jedoch eine Stelle ohne Nachtschichten zu finden, schien aussichtslos. Bis Frau Moghadam auf „Die Wille“ stieß und dort auf Frau Ludwig traf.

Die Wille hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, Hilfestellung bei der Arbeitssuche zu geben. Die Arbeitsvermittlerin, Frau Ludwig, ist hierbei die erste Ansprechpartnerin: Sie führt Bewerbungsgespräche, macht Coachings und vermittelt an potenzielle Arbeitgeber. So zum Beispiel an „PersonaGrata“: Die 2006 gegründete Zeitarbeitsfirma beschäftigt professionell ausgebildete Leasingkräfte v. a. in der Pflege und verhilft ihnen dadurch nicht selten zu einer vertraglichen Übernahme durch einen ihrer Kunden. Seit 2013 arbeiten „Die Wille“ und „PersonaGrata“ zusammen in dem Bemühen, Menschen mit so genannten Vermittlungshemmnissen wieder Perspektiven zu schaffen.

Im Fall von Helen Ziyaei Moghadam erfolgreich: Nach mehreren Bewerbungs- und Coachingtreffen sowie einem Testpraktikum konnte ihr Frau Ludwig eine Stelle bei „PersonaGrata“ anbieten: als Leasingkraft in Pflegeeinrichtungen in Spandau, Charlottenburg und im Wedding. Mit ständig wechselnden Einsätzen, aber ohne Nachtschichten.

„Die Zeit bei PersonaGrata war sehr gut“, erzählt Helen Ziyaei Moghadam. „Ich konnte Arbeit und Familie bestens vereinbaren.“ Sie ist sehr froh, nun eine feste Stelle zu haben und Termine besser planen zu können, als während der Zeitarbeit. Noch ist ihr Vertrag befristet. Doch in einem Jahr, so hofft sie, könnte daraus ein unbefristeter Vertrag werden. „Als ich Frau Ludwig kennengelernt habe, war ich müde. Jetzt weiß ich: Man soll nie denken, die Tür ist zu. Alles ist in Bewegung. Die Türen gehen manchmal nur langsam auf. Aber man muss daran glauben.“