Oktober/November 2015Stadtteilmagazin Wilma


Hier geht's um die Wurst


©Tanja Schnitzler

Das Label ist englisch, der Inhalt ungarisch: Im Red Beef in der Adamstraße 13 werden ungarische Fleischwaren verkauft. Das Besondere an dem Laden: Er ist keine Fleischerei, sondern ein Delikatessengeschäft.



„Red Beef“ steht in roten, handgeschriebenen Lettern außen auf der Schaufensterscheibe – drinnen wird Qualitätsrindfleisch aus Ungarn verkauft. Das Besondere an „Red Beef“ aber ist: Bei dem Laden handelt es sich nicht um eine traditionelle Fleischerei, sondern um ein Delikatessengeschäft. Inhaber Zsolt Somos ist kein Fleischer, sondern gelernter Koch, seine ebenfalls ungarische Verkaufskraft hat er als Oberkellner in Österreich kennengelernt.

Die beiden haben den Laden mit großer Liebe zum Detail gestaltet: Die Regale sind kunstvoll mit rot-weiß-kariertem Stoff drapiert worden, das Angebot auf der Schaufensterscheibe und Ladentheke ist in Schönschrift geschrieben. Seit Ende Juli gibt es das „Red Beef“, vieles ist noch improvisiert. Bislang gibt es hier nur Fleisch- und Wurstwaren zu kaufen. Alles von einem Kilo Rinderfilet bis hin zu 500 Gramm Schmalz, alles ungarisch, alles vom eigenen Rind.

„Red Beef“ ist Teil eines ungarischen Landwirtschaftsunternehmens, das sich seit zehn Jahren auf den Anbau von Futtermitteln und Viehzucht spezialisiert hat. Viehzucht in Ungarn klingt romantisch. Ein Romantiker aber ist Somos nicht. Er erzählt ganz nüchtern von den 1.500 Rindern, die sie in den Verwaltungsbezirken Zala und Somogy halten, hauptsächlich Aberdeen Angusrinder, aber auch Limousine, Blonde d’Aquitaine und Charolais: „Die Jungtiere werden mit 18 Monaten geschlachtet, Muttertiere sind nur für die Zucht da. Jeden Monat werden drei Tiere geschlachtet: Das gibt 1000 Kilo Fleisch, ohne Knochen.“

Das Konzept für Red Beef steht schon lange: Qualitätsrindfleisch aus eigener Zucht zu erschwinglichen Preisen, roh abgepackt oder nach Sous Vide-Küche 48 Stunden lang in einem Vakuumbeutel im Wasserbad gegart. Das Ganze kommt mit dem Versprechen absoluter Transparenz: Alles Abgepackte ist mit der Seriennummer des geschlachteten Tieres versehen – so lassen sich im Internet Herkunft und Daten des Tieres einsehen. Demnächst will Zsolt Somos auch noch einen Mittagstisch anbieten: ungarische Hausmannskost wie Gulasch oder Eintopf zu Schnellimbiss-Preisen. Zwei Stehtische sind schon da, zwei weitere sollen folgen.

Bevor er aber loskochen kann, muss Somos noch auf die Genehmigung für den Mittagstischverkauf warten. Die Mühlen der deutschen Bürokratie mahlen langsam. Und auch hier im Laden geht alles erst langsam los: Auf der rot- weiß karierten Stoffbedeckung der Regale stapeln sich bislang noch Ravioli in Dosen, Fertigsuppen, Chips und Kakao statt ungarischer Delikatessen. Bei den Sachen handelt es sich um Füllware: Innerhalb der nächsten zwei, drei Wochen kommen die richtigen Waren aus Ungarn.

Was genau auf die Bestellliste kommen soll, hat Somos auch seine neuen Kunden mitbestimmen lassen. „Eine Kundin, die seit Jahren regelmäßig nach Ungarn reist, sagt beispielsweise, sie vermisse in Deutschland Teföl und Türo, also ungarischen Sauerrahm und Quark.“ Sonst befinden sich unter anderem noch ungarischer Wein, ungarische Paprika und verschiedene Käsespezialitäten auf der Liste. Das neue Sortiment soll ab Oktober stehen.

Die einzigen Kundenwünsche, die Somos bislang nicht erfüllen konnte, waren die Sonderwünsche älterer Menschen. „Die wollen häufig nur 300 Gramm kaufen“, erzählt er. So geringe Mengen kann Somos nicht verkaufen, das ist Teil des juristischen Unterschieds zwischen Fleischerei und Fleischwaren-Delikatessengeschäft in Deutschland: Delikatessengeschäfte dürfen nur abgepackte Mengen verkaufen. Unter einem halben Kilo lohne das nicht, sagt Zsolt Somos.

Manchmal kommt es Somos und seiner jungen Verkaufshilfe so vor, als habe die Adamstraße so etwas wie eine geheime Demarkationslinie des Stillstands: „Während die Geschäfte bis zum Földerichplatz alle laufen oder sogar florieren, gehen die dahinter ein“, sagt Zsolt Somos. „Die Leute sagen alle: Viel Glück! Da sind schon alle anderen zuvor dran gescheitert.“ Drei Inhaber in nur wenigen Jahren hätten einpacken müssen, erzählt Zsolt Somos und lächelt. „Aber Wurst- und Schinkenwaren von den eigenen Rindern, selbst gemacht und zu bezahlbaren Preisen: Das muss sich doch verkaufen.“

Somos hat schon viele weitere Ideen: Zum Beispiel mit einer Art Foodtruck auf Straßenfesten verkaufen. Das entsprechende Fahrzeug wird gerade in Ungarn gebaut. Links soll der Wurstverkauf sein, rechts eine Art Restaurantbereich. Man merkt schnell: Somos und sein Geschäftspartner Laszlo Szeman, der Gesellschafter des Unternehmens, sind Profis, ihre Geschäftsidee ist gut durchdacht. Alles kommt jetzt nur darauf an, wie gut der Laden in der Adamstraße läuft.