Dezember/Januar 2015/16 Stadtteilmagazin Wilma


Verdeckt von Winkekatzen


©Tanja Schnitzler

Nascha Hess verkauft in „Naschas Asia-Markt“ in der Pichelsdorfer Straße 106 asiatische Lebensmittel – von japanischen Sushiblättern über getrockneten Fisch aus Indien bis zu thailändischen Garnelen-Chips. Das Besondere: Der Einfraubetrieb ist nicht nur Supermarkt, sondern auch noch ein Imbiss – im hinteren Bereich wird beste Thai-Küche angeboten.



Es dauert einen kleinen Moment, bis Nascha Hess auf die Ladentür reagiert und in den vorderen Bereich des Ladens kommt, um nach neuen Kunden zu sehen: Sie steht gerade hinten in der Küche und kocht Suppe. Der asiatische Supermarkt mit Thai-Imbiss ist ein Einfraubetrieb: Inhaberin Nascha kümmert sich die meiste Zeit alleine um Verkauf und Restaurant.

Ihr Geschäft liegt im zentralen Bereich der Pichelsdorfer Straße: neben Woolworth und Kaisers. Die meisten Kunden, erzählt Nascha Hess, kämen von außerhalb, aus Haselhorst oder von noch weiter her. Viele haben den Supermarkt auf der Suche nach asiatischen Lebensmitteln im Internet gefunden und kommen seitdem wieder. Laufkundschaft aus dem Kiez hat Nascha wenig. Das Schaufenster mit seinen wackelnden Winkekatzen geht im Straßenbild etwas unter.

Die Schaufensterdekoration von Naschas Asia-Markt führt in die Irre: Der Laden hat mit Kitsch nichts am Hut, das Sortiment ist breiter aufgestellt als das eines durchschnittlichen asiatischen Geschäfts. Neben 18-Kilo-Reissäcken aus China, indischen Gewürzen und thailändischen Snacks wie Garnelen-Chips gibt es bei Naschas auch eine Frische-Theke und eine Gefriertruhe mit Fisch aus dem asiatischen Raum.

Im hinteren Teil des Ladens befindet sich ein abgetrennter Bereich mit vier Tischen: Hier bietet Nascha Hess klassische Thai-Küche zu günstigen Preisen an, „glutenfrei und frisch zubereitet“, wie sie mit Fingerzeig auf das Gemüse im Frische-Regal betont. „Bei mir kommt nix aus der Dose, außer Ingwer und Ananas“, lacht die Thailänderin, die mit ihrem Partner Stephan Reichert einen Sohn und eine Tochter hat.

Der Laden gehört Nascha Hess und ihrem Lebenspartner Stephan Reichert. Da Stephan Reichert hauptberuflich im Obst-und Gemüsefachhandel tätig ist, organisiert Nascha Hess den gemeinsamen Laden in der Woche allein. Und wie! Nascha ist eine Powerfrau. Morgens Kinder versorgen, dann von 9 bis 19 Uhr im Laden stehen und verkaufen, Regale befüllen, Bestellungen schreiben, kochen, servieren, putzen, die Kinder versorgen, das alles macht die 46-Jährige mit lässigem Lächeln.

Nascha Hess ist einer Freundin nach Berlin gefolgt, in der Wilhelmstadt ist sie durch ihre Schwester gelandet. Die hatte hier in der Pichelsdorfer Straße einen Massagesalon. Die Schwester musste ihren Salon schon vor längerer Zeit schließen, Nascha Hess und ihre Familie aber sind hier mittlerweile verwurzelt: Die vier wohnen genau neben dem Laden. Die zunächst ungewöhnlich scheinende Idee, Supermarkt und Restaurant zu vereinen, ist Nascha Hess eines Tages bei einem Spaziergang durch die Kantstraße gekommen – in Thailand sei die Kombination aber weit verbreitet.

Nascha Hess kocht nur auf Bestellung. „Alle Gerichte dauern nur zehn Minuten. Ich koche für jeden Gast neu.“ Kochen hat sie zwar in Thailand auch in Kursen gelernt, das meiste aber, sagt sie, sei jahrelange Erfahrung. An Rezepte hält Nascha Hess sich nicht, im Gegenteil, bei ihr gibt es klassische thailändische Hausmannskost in Mama-Nascha-Manier: „Ich schmecke ab und koche alles so, wie ich es selber gern essen würde – den Gästen schmeckt’s.“

Und zwar so gut, dass es bei Naschas Kunden eine immer größere Nachfrage nach Kochkursen gab. Immer, wenn sich genug Interessierte gefunden haben, findet ein Kurs statt, meist einmal im Monat. Zeit für ein Leben neben dem Laden bleibt wenig. Ihr Leben spielt sich im Geschäft ab. Naschas sechsjähriger Sohn sitzt an einem der Tische, schlürft eine Suppe und spielt auf seinem Nintendo: Er kommt hier immer nach der Schule hin, der Laden ist quasi sein Hort. Gerade sind Schulferien und Tochter Stephanie packt mit an, wenn nicht gerade eine Premierenparty am Potsdamer Platz ist. Die 15-Jährige ist begeisterte Autogrammjägerin und möchte einmal etwas in Richtung Film und Mode machen.

Obwohl Nascha Hess in der Wilhelmstadt sehr viele Freunde und Bekannte hat, wäre es in ihrer Vorstellung in Steglitz am schönsten: ruhig und dennoch belebt. Tochter Stephanie grinst. Steglitz oder Spandau macht für sie keinen Unterschied. Beides ist gleich weit weg von Potsdamer Platz und rotem Teppich.